top of page
GNB.jpg

Gabrielle Nater-Bass, LL.M. im Porträt

 

„Nur mit Freude an der Arbeit ist man bereit, täglich diese hohe Leistungs-bereitschaft zu erbringen.“

Gabrielle Nater-Bass, LL.M., Partnerin bei Homburger, im Gespräch über ihren Einstieg in die Schiedsgerichtsbarkeit, wie man sich national und international positionieren kann und was es an Organisation und Sozialkompetenz braucht, um als Partnerin erfolgreich zu sein.

Liebe Gabrielle, nach der Anwaltsprüfung hast du als Mitarbeiterin bei Homburger angefangen zu arbeiten; heute bist du dort seit vielen Jahren Partnerin. Warum hast du dich damals für Homburger entschieden?

Homburger unterschied sich von anderen Anwaltskanzleien bereits damals dadurch, dass ein sehr gutes Arbeitsklima herrschte, was sich in der flachen Hierarchie wiederspiegelte. Man spürte sofort, dass sich Partner nicht auf einer anderen Stufe sahen, sondern sich als Teil eines Teams verstanden. Dies zeigte sich beispielsweise anhand der open door policy. Bei anderen Anwaltskanzleien waren die Türen zu den Partner*innenbüros geschlossen, man musste höflich anklopfen und auf ein herein hoffen. 

Du hast in den USA studiert und in Washington, D.C. und London gearbeitet. Welche Gründe haben dich dorthin geführt und wie hat diese Erfahrung deine spätere Karriere geprägt?

Einen LL.M. in den USA zu absolvieren, war damals bereits ein Trend. Meine Entscheidung, zusätzlich zum LL.M. in den USA und in London auch zu arbeiten, kam daher, dass mich die internationale Schiedsgerichtsbarkeit schon immer angezogen hat. Dabei habe ich früh erkannt, dass der Aufbau eines internationalen Netzwerks und die Zusammenarbeit mit möglichst vielen internationalen Schiedsgerichtspraktiker*innen unabdingbar sind für eine sorgfältige Karriereplanung in dieser Fachrichtung. WilmerHale, bei denen ich in Washington, D.C. und in London gearbeitet hatte, boten mir genau dieses Umfeld. Unter der Führung von Gary Born habe ich dort viele junge Schiedsgerichtspraktiker*innen kennen gelernt, die mich bis heute inspirieren und mit denen ich auch regelmässigen Kontakt pflege. Sie alle sind heute zu Partner*innen in internationalen Grosskanzleien aufgestiegen.

Du bist Präsidentin des Schiedsgerichtshofs der Swiss Chambers' Arbitration Institution (SCAI). Mit wieviel Arbeitsaufwand ist dieses Amt verbunden und welche Vorteile bringt es mit sich?

Das Amt als Präsidentin des Schiedsgerichtshofs der SCAI bringt einen grossen zeitlichen Aufwand mit sich. Nebst den Sitzungen für den Schiedsgerichtshof ist man stetig mit besonderen Konstellationen und Fragestellungen konfrontiert. Im vergangenen Halbjahr habe ich mich in meiner Funktion als Präsidentin des Schiedsgerichtshofs auch intensiv mit den gegenseitigen Bestrebungen eines Zusammenschlusses (Joint Venture) zwischen SCAI und der Swiss Arbitration Association (ASA) befasst. Ich empfinde es als eine Ehre, dass ich die Möglichkeit erhielt, dieses Amt zu übernehmen und entsprechende Erfahrungen in einer Schiedsinstitution zu sammeln. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen im Schiedsgerichtshof bringt auch immer wieder interessante Gelegenheiten mit sich, um internationale Kontakte zu pflegen. Nicht zuletzt durfte ich dadurch auch meinen Beitrag zur Prägung der schweizerischen Schiedsszene leisten.

Es ist bekanntlich schwierig, das erste Mandat als Schiedsrichter*in zu ergattern. Dies gilt genauso für Mandate als Verwaltungsrat*rätin. Du bist ja auch Verwaltungsrätin bei der LGT und bei der Swiss Prime Site. Wie kommt man an solche Mandate heran und auf was kommt es insbesondere bei der Wahl an?

Das ist richtig. Es ist sehr schwierig, die ersten Schiedsrichter- und Verwaltungsratsmandate zu erhalten. Das sollte aber niemanden davon abhalten, sich darum zu bemühen. Beide Mandatsarten verlangen, dass man sich über Jahre hinweg die Sporen abverdient und sich eine sehr gute Reputation in der Schiedsgerichts- bzw. Anwaltsszene geschaffen hat. Schlussendlich bekomme ich ein solches Mandat nur, wenn die Parteien das Vertrauen in meine Erfahrung als Schiedsrichterin haben bzw. wenn eine Gesellschaft überzeugt ist, dass meine Einsitznahme im Verwaltungsrat der Gesellschaft einen Mehrwert bringt. Der Aufbau eines Netzwerks auch ausserhalb des Juristenkreises ist wichtig; ein solches Netzwerk entsteht auch durch überzeugende juristische Tätigkeit. Im Berufsalltag trifft man häufig Personen aus der Wirtschaft. Vorträge, Publikationen und das Mitwirken in verschiedenen Organisationen helfen, den Bekanntheitsgrad zu steigern. Bei Schiedsrichtermandaten ist es zudem essenziell, dass dieser Bekanntheitsgrad nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland stetig ausgebaut wird.

Ich habe mein internationales Renommee beispielsweise durch meine Tätigkeit bei ArbitralWomen gestärkt, wo ich über Jahre als Vizepräsidentin mitgewirkt und die Entstehung von Young ArbitralWomen Practitioners (YAWP) mitinitiiert habe. YAWP ist eine Organisation innerhalb von ArbitralWomen, die sich an junge Schiedsgerichtspraktikerinnen richtet. Weiter hat auch geholfen, dass ich damals die erste Organisation für junge Schiedsgerichtspraktiker*innen in der Schweiz mitgegründet habe: ASA below 40. Ich war zu der Zeit gerade aus London zurückgekehrt und Mitglied der weltweit ersten Organisation für junge Schiedsgerichtspraktiker*innen: der Young-LCIA, einer Untergruppe der LCIA, des London Court of International Arbitration. Nach diesem Vorbild wollten wir ebenfalls in der Schweiz eine solche Organisation auf die Beine stellen. Zudem habe ich bei der ASA die ASA-Marketing-Gruppe mitbegründet, welche sich weltweit um die Förderung des Bekanntheitsgrads der Schweiz als Schiedsort und des schweizerischen Rechts als neutrales materielles Recht bemüht. In diesem Zusammenhang habe ich mit anderen Marketing-Mitgliedern weltweit Vorträge gehalten, um das Interesse an der Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz zu wecken. Dies hat mir erlaubt, viele wichtige internationale Kontakte zu knüpfen.

Bei Homburger warst du die erste Rechtsanwältin, die neu zur Partnerin gewählt wurde, obwohl du klar kommuniziert hattest, dass du Kinder möchtest. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Herausforderung für Eltern. Was empfiehlst du in diesem Zusammenhang anderen Eltern?

Einen anspruchsvollen Beruf mit den Herausforderungen als Ehefrau und Mutter unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Man muss dazu einen unterstützenden Partner haben, der einem viel Geduld und Verständnis entgegenbringt. Wichtig ist, dass man sich von Anfang an sehr gut in Bezug auf die Kinderbetreuung organisiert. Man muss ein Auffangnetz haben, wenn die Nanny einmal ausfällt oder das Kind krank wird und nicht in die Kinderkrippe gehen darf. Da muss es bereits einen Plan B geben, wie zum Beispiel die Unterstützung der Grosseltern oder einer Ersatz-Nanny. Daneben braucht es auch eine sorgfältige Abstimmung mit dem Ehepartner. Es ist wichtig zu wissen, wer wann wo ist und wer zuhause die Kinderbetreuung abdecken kann. Meinem Mann und mir war es immer wichtig, dass unsere Tochter praktisch nie alleine und am Abend nicht fremdbetreut war. So haben wir uns immer sorgfältig abgestimmt, wer an welchen Abenden Termine hat. Wichtig ist auch, dass man bereit ist, über Jahre hinweg persönliche Zusatzwünsche zurückzustellen und Kompromisse zugunsten des Kindes zu machen. Ansonsten kommt das Kind bestimmt zu kurz und fühlt sich vernachlässigt. Wenn ein Kind jedoch spürt, dass man ihm die verfügbare Zeit widmet und dass es einen sehr wichtigen Teil des Lebens der Eltern darstellt, dann wird es auch mit der Tatsache umgehen können, dass beide Eltern arbeiten. Bei uns zumindest hat sich das ausbezahlt. Unsere Tochter war früh selbständig und selbstbewusst und wir haben noch jetzt, wo sie im Teenager-Alter ist, eine sehr enge Beziehung zueinander und verbringen viel Freizeit zusammen.

Was können Arbeitgeber dazu beitragen, damit das Familienleben nicht unter dem Beruf leidet?

Wichtig ist, dass Arbeitgeber flexible Lösungen mittragen, die auf den Einzelfall zugeschnitten sind. Nicht jede Mutter hat nach der Geburt das gleiche Bedürfnis und nicht jedes Kind erfordert gleich viel Zeit. So sollte der Mutterschaftsurlaub mit der Arbeitnehmerin abgesprochen werden und – wenn immer möglich – auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Es gibt Mütter, die bereit sind, zeitnah wieder mit einem Teilzeitpensum einzusteigen. Andere möchten lieber ein halbes Jahr oder länger im Mutterschaftsurlaub bleiben. Wichtig ist, dass die Mütter nach einer Geburt erst dann wieder zurückkommen, wenn sie dazu bereit sind. Das heisst, sie müssen das Gefühl haben, dass ihr Kind perfekt betreut ist und dass es ihm an nichts fehlt. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommen die Mütter motiviert zur Arbeit und schätzen es, ihre berufliche Tätigkeit wieder ausüben zu können. Überdies müssen die heutigen Möglichkeiten des Homeoffice genutzt werden. Dies dürfte angesichts der ausgebauten IT-Infrastruktur, welche in praktisch jeder Anwaltskanzlei vorherrscht, kein Problem mehr sein und die Corona Pandemie hat uns ja den Beweis erbracht, dass Homeoffice funktioniert. Gegenseitiges Vertrauen und eine gewisse Sensibilität bezüglich der Frage, wann und wo Präsenz erforderlich sein soll, tragen dazu bei, dass es diesbezüglich zu keinen Problemen kommen sollte. Ich habe auch vor Corona nur positive Erfahrungen mit Kolleginnen gemacht, die Mütter wurden und alsdann wieder ihre Tätigkeit bei Homburger aufgenommen haben. Auch wenn gerade die ersten Jahre als Mutter sicherlich eine Herausforderung für sie waren, haben sie es geschätzt, wieder im Arbeitsalltag zu sein und zu wissen, dass Verständnis da ist und die Bereitschaft, wenn immer möglich unterstützend beiseite zu stehen.

Wie planst du als Partnerin bei Homburger und engagierter Elternteil deinen Alltag?

Der Alltag kann praktisch nicht geplant werden. Als Partnerin ist man jeden Tag mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Für mich persönlich ist es wichtig, dass ich mich täglich mit meinem Mann und meiner Tochter abspreche, wie mein Tag aussieht, damit sie wissen, ob und wann ich nach Hause komme. Darüber hinaus ist es mir sehr wichtig, meine Freizeit mit ihnen zu planen und zu gestalten. Für mich persönlich bleibt wenig Zeit, was mich aber nicht stört, solange ich meinen sportlichen Aktivitäten nachgehen kann. Ich mache fast jeden Tag eine Stunde Sport, meistens sehr früh am Morgen.

Bei Millennials hat die „Work-Life-Balance“ einen hohen Stellenwert. Wo siehst du Verbesserungspotential oder Lösungsansätze, um jungen Jurist*innen eine Karriere zu ermöglichen, ohne auf Familiengründung verzichten zu müssen?

Ich respektiere es absolut, dass Millennials einen höheren Anspruch an die „Work-Life-Balance“ haben, als wir es damals zu äussern wagten.  Auch für uns war und ist eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Wir haben unsere Ansprüche damals aber weniger klar und offen zu kommunizieren getraut. Heute ist das anders – und das ist auch gut so. Verbesserungspotential und Lösungsvorschläge gibt es viele. Dazu gehören beispielsweise Teilzeitmodelle für Frauen und Männer und Homeoffice. Dabei müssen Einzelfalllösungen geschaffen werden, da generelle Modelle nie für alle passen.

Du bist die diesjährige Gewinnerin des renommierten Client Choice Award für Arbitration und ADR. Diese Auszeichnung ist der Beleg für deine exzellente Arbeit. Was erwarten Klient*innen nebst einer ausgezeichneten Rechtsberatung von dir und was wird besonders geschätzt?

Ich glaube, meine Klient*innen schätzen es zu spüren, dass ich mich wirklich für sie einsetze und auch – wenn möglich – jederzeit für sie erreichbar bin. Neben der Rechtsberatung brauchen sie auch oft strategische Beratung: Sie wollen nicht nur wissen, wie die Rechtslage aussieht. Sie wollen auch wissen, wie sie taktisch am besten vorgehen sollen.

Hast du als Partnerin in einer grossen Wirtschaftskanzlei, als international tätige Schiedsrichterin oder als Verwaltungsrätin die Erfahrung gemacht, dass Klient*innen oder Arbeitskolleg*innen dir gegenüber wegen deines Geschlechts skeptisch waren?

Nein, solche Erfahrungen habe ich glücklicherweise nie gemacht. Ich habe mich stets akzeptiert und geschätzt gefühlt. Auch wenn ich oft die einzige Frau bin – sei es in einem Schiedsgericht oder als Mitglied des Verwaltungsrates –, ist mir nie Skepsis oder Misstrauen wegen meines Geschlechts entgegengebracht worden. Ein professionelles Auftreten und eine gute, kompetente Vorbereitung der Sitzungen bzw. kompetente Führung eines Schiedsverfahrens helfen sicher dabei.

Das Partnerwerden in einer Wirtschaftskanzlei erfordert eine hohe Leistungsbereitschaft. Was denkst du, müssen junge Anwält*innen alles mitbringen, um erfolgreich zu sein?

Jede Position in der Wirtschaft, welche mit einer grossen Verantwortung verbunden ist, erfordert eine grosse Leistungsbereitschaft. Dies ist nicht anders, wenn man Partner*in in einer Wirtschaftskanzlei ist. Um erfolgreich zu sein, muss man Freude an dem haben, was man macht. Nur mit Freude ist man auch bereit, diese hohe Leistungsbereitschaft täglich zu erbringen. Man darf sich auch nie mit dem, was man erreicht hat, zufriedengeben, sondern soll stetig nach neuen Verbesserungsmöglichkeiten streben. Dabei darf nicht vergessen werden, dass man nicht alleine erfolgreich sein kann, sondern auf ein unterstützendes Team angewiesen ist. Dieses Team fängt bei dem und der Assistent*in an und hört bei jedem und jeder einzelnen Mitarbeiter*in oder Praktikant*in auf. Sie alle müssen motiviert bleiben, mich zu unterstützen, denn alleine kann ich es nicht schaffen. Neben sehr guten juristischen Kenntnissen braucht es ein Gespür, wie man Leute führt, und die erforderliche Sozialkompetenz, um intern die notwendige Unterstützung zu erhalten. Das muss extern genauso gut funktionieren, denn auch Klient*innen wollen sich als Teil des Teams verstanden, abgeholt und unterstützt fühlen. Daneben ist es wichtig, jedem und jeder Klient*in das Gefühl zu geben, dass seine*ihre Anliegen sehr wichtig sind und stets ernst genommen werden.

Welche Juristin hat dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

 

Prof. Dr. Nathalie Voser, Partnerin bei rothorn legal und Titularprofessorin an der Universität Basel.

Ich habe Nathalie als junge Juristin kennengelernt, da mein Mann damals auch bei Schellenberg Wittmer tätig war. Sie ist ehrgeizig, sehr intelligent und heute wohl auch international eine der bekanntesten Schiedsgerichtspraktiker*innen. Was mir aber an ihr imponiert hat, ist die Tatsache, dass sie trotz ihres Erfolges sehr sozial und hilfsbereit geblieben ist und Gelegenheiten packt, um Frauen zu fördern. Sie hat auch eine gute Work-Life-Balance beibehalten und stellt sicher, dass ihr Privatleben, vor allem ihre Familie und ihre Hobbys nicht zu kurz kommen.

Vielen Dank für das Interview und die Zeit, die du dir dafür genommen hast!

Zürich, 9. November 2020. Gabrielle Nater-Bass, LL.M. beantwortete die Fragen schriftlich. Die Fragen stellte Florence J. Jaeger.

Spannende Porträts, die Dich ebenfalls interessieren könnten:

Dr. Andrea Meier, Partnerin bei Walder Wyss, über ihre Rolle als Schiedsrichterin und Anwältin in internationalen Schiedsgerichtsverfahren und ihren Weg zu dieser Position, die Bedeutung von Teilzeitregelungen und beruflicher Förderung junger Anwältinnen und Anwälte für mehr Diversität in den KanzleienWeiterlesen 

 

Simone Stebler, LL.M. Beraterin bei Egon Zehnder, über ihren Karrierewechsel in die Personalberatung, gewachsene Anforderungen in der Rekrutierung  von JuristInnen und Diversität in Führungspositionen. Weiterlesen

bottom of page