Kinga Frater im Porträt
"Funktionsübergreifende Zusammenarbeit führt zu neuen Perspektiven und innovativen Lösungen."
Kinga Frater, Leiterin Legal, Governance, Qualitäts- und Umweltmanagement bei Genossenschaft ZFV-Unternehmungen, davor als General Counsel und Executive Vice President bei Hoerbiger Holding AG, über die Bedeutung regelmässigen Austauschs bei der rechtlichen Beratung im Unternehmen, den Aufbau eines Compliance Management Systems und gute Führung.
Liebe Kinga, du bist seit kurzem Leiterin Legal, Governance, Qualitäts- und Umweltmanagement bei Genossenschaft ZFV-Unternehmungen, davor einige Jahre als General Counsel und Executive Vice President bei einem weltweit tätigen Industriekonzern. Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Ich wechsle gerade den Job von einem internationalen Industriekonzern im Gas-, Öl- und Automotive-Sektor mit drei Prozent Frauenanteil in Führungspositionen zu einer grossen Schweizer Genossenschaft im Food- und Beherbergungssektor mit 65% Frauenanteil. Als Leiterin Legal, Governance & Qualitäts- und Umweltmanagement wird mein Alltag aber wahrscheinlich mehr oder weniger der gleiche bleiben, abgesehen von dem neu hinzugekommenen Qualitäts- Umweltmanagement sowie Geschäftsprozess-Verantwortungsbereich.
Ich hatte immer kleine Teams mit Fachspezialisten, sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland. Es ist wichtig einen regelmässigen Austausch untereinander zu garantieren, um die Zusammenarbeit der Einzelnen zu fördern. Gute Kenntnisse der Firmenstrategie und der einzelnen Tätigkeitsfelder der Bereiche einer Firma sind unabdingbar. Regelmässiger Austausch mit den Bereichen Accounting, Controlling, IT, Risk und Internal Audit, sowie den verschiedenen Divisionen im Sales und Einkauf garantiert, dass die Rechts- und Compliance-Themen optimal abgedeckt und die Anforderungen vom Business optimal unterstützt werden. Eine Rechtsabteilung kann mit Prozessen und Verhandlungsstrategien viel dazu beitragen, dass Kosten eingespart, Risiken minimiert und Verhandlungen zu Gunsten der Firma abgeschlossen werden.
Natürlich gehören Vertragsgestaltung, das Implementieren von AGBs oder Erstellen von Richtlinien, Schulungen zu Compliance und Vertragsthemen sowie das Etablieren von Plattformen auch zum Arbeitsalltag.
Bei kartellrechtlichen Verfahren drohen hohe Bussen, der Druck auf das Unternehmen ist hoch. Wie gehst du mit derlei beruflichen Stresssituationen um?
Eine sehr wichtige Komponente ist immer wieder das Gespräch innerhalb des Unternehmens – z.B. mit der Geschäftsleitung, aber auch mit den betroffenen Abteilungen und Personen – zu suchen, um Fragen zu beantworten, Unsicherheiten zu klären und gemeinsam die erforderlichen Schritte zu definieren. Eine qualifizierte externe Unterstützung, welche auch die entsprechende Behörde kennt, ist in solchen Situationen sehr hilfreich.
Um Kartellrechts- und andere Gesetzesverstösse zu vermeiden, ist der Aufbau eines Compliance-Management-Systems zentral. Welchen Schwierigkeiten bist du beim Aufbau eines Compliance-Systems schon begegnet und mit welchen Strategien hast du sie gemeistert?
Ein grosses Thema sind immer die mit dem Aufbau eines CMS verbundenen Kosten. Es kann sehr arbeitsintensiv werden, auf die Firma abgestimmte Lösungen auszuarbeiten – ein sehr gutes Verständnis der Prozesse und der Geldflüsse ist unabdingbar und je nach interner Fachkompetenz nicht ohne externe Unterstützung professionell umzusetzen, z.B. für Datenschutz, Kartellrecht oder auch beim Aufsetzen eines effektiven Whistleblower Tools. Interne Schulungen sind ein wichtiger Bestandteil, führen jedoch immer wieder zu Diskussionen bzgl. Aufwand, da das Business Zeit dafür zur Verfügung stellen muss. Ob diese bis zu vier Stunden vor Ort teilnehmen müssen oder ein E-Learning von 15 Minuten zu bewältigen haben, hängt vom Thema ab. Der «Tone at the Top» ist, wie erwähnt, ein massgeblicher Teil eines CMS und es ist wichtig, das Management auf jeder Stufe mit im Boot zu haben. Diese stehen oft unter Umsatz-, Kosten- und Innovationdruck und haben deshalb nicht primär den Fokus auf Compliance-Themen.
In deinen bisherigen Positionen als General Counsel bzw. Head Legal hast du ausserdem an der Umsetzung von Joint Ventures und an Post-Merger-Integrationen mitgewirkt. Dabei treffen verschiedene Kulturen und lokale Praktiken aufeinander. Welche Erfahrungen hast du dabei gesammelt und welche Tipps hast du an andere?
Ein grundsätzliches Verständnis von verschiedenen Kulturen ist sehr hilfreich, sobald verschieden Regionen, Länder, Industrien betroffen sind. Sich mit den landes- bzw. branchenüblichen Gepflogenheiten auseinander zu setzen, wenn man internationale Team führen muss oder einen neuen Geschäftspartner/Akquisition ins operative Geschäft integrieren will, unterstützt das eigene Verständnis und den Umgang untereinander. Dazu gibt es hilfreiche Literatur wie z.B. The Culture Map von Erin Meyer. In Verbindung mit entsprechenden Workshops hilft das den Beteiligten einander zu verstehen und Projekte erfolgreich umzusetzen, bzw. gemeinsame Ziele zu definieren.
In der Position als General Counsel braucht es insbesondere Führungsstärke. Was macht für dich gute Führung aus?
Eine meine Grundregeln lautet, eine Kultur des offenen Dialogs und des Feedbacks zu pflegen. Dies wird durch klare Kommunikationskanäle (Teams, Slack, Sharepoint etc) innerhalb der Abteilung unterstützt. Die Kollegen und Kolleginnen aus der Rechtsabteilung müssen die übergreifenden Ziele der Rechtsabteilung und des Unternehmens verstehen und mit gutem Beispiel vorangehen.
Schulungen und Entwicklungsprogramme, die für die Aufgaben der Mitarbeitenden relevant sind, zu ermöglichen oder Veranstaltungen mit Gastrednern zu organisieren, um neue Konzepte und Fähigkeiten vorzustellen, ist ebenfalls wichtig. Sehr wirkungsvoll ist es, Mitarbeitende mit Mentoren oder Coaches zusammenzubringen, die ihnen Anleitung, Feedback und Unterstützung für ihre Lernziele geben können.
Funktionsübergreifende Zusammenarbeit führt zu neuen Perspektiven und innovativen Lösungen für rechtliche Herausforderungen. Und als Führungskraft zeige ich Offenheit für neue Ideen und unterstütze innovative Initiativen, sofern sie im Einklang mit unseren Aufgaben stehen.
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten muss ein General Counsel aus deiner Sicht sonst noch mitbringen?
Ein generelles Verständnis für die verschiedenen rechtlichen Themen, wie Vertragsgestaltung, Mergers & Aquisitions, IP, Datenschutz etc. Neugier für das Unternehmen und dessen Produkte. Verständnis für die internen Prozesse und Überzeugungskraft, um rechtliche Lösungen im Unternehmen zu etablieren. Es braucht aber auch Durchhaltevermögen in schwierigen Verhandlungen intern sowie extern. Es ist wichtig sich mit anderen Abteilungen zu verbinden und einen regelmässigen Austausch zu suchen. Gute Kommunikationsfähigkeiten sowohl schriftlich wie mündlich erleichtern den Arbeitsalltag natürlich nicht nur für Juristen und Juristinnen.
Welche Tipps hast du an junge Juristen und Juristinnen, um sich diese Fähigkeiten anzueignen? Bedarf es deiner Meinung nach z.B. für gute Führung die Inanspruchnahme von Führungsseminaren oder anderen Fortbildungen?
Es hilft sicherlich, sich damit auseinander zu setzen, wie man gute Meetings oder Workshops abhält. Fortbildungen, aber auch entsprechende Literatur helfen immer sich einen Überblick über “Best Practices” zu verschaffen. Schlussendlich hat aber jeder Mensch seinen eigenen Stil und nicht jeder und jede ist eine gute Chefin. Coaching ist heute auch ein gutes Mittel, die eigenen Schwächen zu überwinden und an sich zu arbeiten. Sich einen Mentor im Unternehmen suchen, der dich ins Unternehmen einführt und auch bei der Unternehmenspolitik unter die Arme greifen kann.
Du engagierst dich im Vorstand der Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen (VSUJ). Wie wichtig für den beruflichen Erfolg sind Netzwerke und fachlicher Austausch?
Durch das Netzwerk beim VSUJ sowie andere Netzwerke, z.B. der Uni oder generell an Konferenzen, haben sich für mich immer wieder wertvolle Kontakte ergeben. So bin ich z.B. durch mein Netzwerk an die ZHAW und Uni Zürich eingeladen worden, in verschiedenen CAS zu unterrichten. Aber auch wertvolle Business Kontakte sind durch Austausch mit anderen Juristen entstanden. Auch wurde ich auf Anfrage im Netzwerk für die eine oder andere Stelle empfohlen, was in einem Fall schlussendlich zu einer Anstellung führte. Also ja, es ist sehr wichtig sich austauschen und zu vernetzen.
Welche Juristin hat dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden soll?
Zum Beispiel Nora Teuwsen ABB Schweiz CEO, Wies Bratby About - Women In Negotiation, Katja Boettcher www.beyondlegal.com.
Vielen Dank für das Interview!
Zürich, 14. Juni 2024. Das Interview wurde schriftlich geführt. Die Fragen stellte Lena Götzinger.
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